Beratung vor dem Pferdekauf
Natürlich weiß jeder, mit welchen Folgekosten die Anschaffung eines Farbdruckers verbunden ist, aber niemand scheint sich wirklich Gedanken darüber zu machen, wie viel Haferpatronen so ein Pferd für einen einzigen Schwarz-Weiß-Ausritt verbraucht, selbst wenn man es geschenkt bekommen haben sollte.
In meinem kurzen Reiterleben wurde ich einige Male gebeten, meinen verpfuschten Tagesablauf einem armen, unschuldigen Kind zu erklären, das nun endlich ein Pferd haben will, nachdem Meerschweinchen, Stallkaninchen und Katze nach vier Wochen verdientermaßen verhungert sind, wenn auch nicht unbedingt in dieser Reihenfolge und unter aufmerksamer Beobachtung des Experiments.
Also sitzt man zusammen mit den ahnungsreichen Eltern am Tisch, die mich nicht ohne Grund zu dieser Aufklärungsstunde gebeten haben und schildert mit resignierter Stimme das ganze Ausmaß der Tragödie, auf die man sich unerfahrenermaßen mit dem Kauf eines Pferdes eingelassen hat.
Zuerst einmal zeigt man seine aktuellen Verletzungen vor, mit denen nicht nur die Arme übersät sind, damit das Kind auf die täglichen physischen Schmerzen eingestimmt wird, die noch schlimmer sind als die täglichen Prügel der Mitschülerinnen, weil ein Handy von Colgate eben nicht besonders cool ist. Ohne gleich die Hose auszuziehen weist man darauf hin, dass die Beine von den vielen Huftritten ebenfalls ziemlich mitgenommen aussehen.
Danach kommt man auf die unvorstellbaren Kosten zu sprechen, die mit der Haltung von Pferden einhergehen. Zuerst einmal erzählt man dem Kind, dass weder Schmied noch Futtermittelhändler so etwas wie eine Flatrate kennen. Außerdem kann man Heu und Stroh nicht kostenlos im Internet von einer obskuren Seite herunterladen, weil die Filmgesellschaft der RCG bereits alle Raubkopien besitzt. Danach spricht man über die Schäden, die ein Pferd verursachen kann, und zeigt einige Fotos von der letzten Landung der Concorde herum. Außerdem machen Pferde grundsätzlich jeden Montag blau, was die Kosten für die Entschuldigungsschreiben des Tierarztes in ungeahnte Höhen schraubt.
Jeder Tag beginnt spätestens um sechs Uhr mit der Fütterung des Pferdes, weil es sonst den ganzen Tag schlechte Laune hat. Darin eingeschlossen sind auch die Sonntage, also jene Tage, von denen Kinder nicht einmal wissen, ob da die Sonne auch schon vor 14 Uhr aufgeht. Natürlich muss man auch nachts gegen drei Uhr einmal kurz aufstehen, um das Stroh unter dem Pferd aufzuschütteln, aber ohne es dabei auch nur unabsichtlich aufzuwecken, weil es sonst gleich wieder schlechte Laune hat. Ansonsten füttert man es am besten fünf Mal am Tag mit Dingen, die man als Kind ohne Zuckerguss und Geschmacksverstärker niemals essen würde.
Ausgemistet wird mindestens zweimal am Tag, was auch wieder einige Stunden beansprucht, aber sonst hat das Pferd schlechte Laune. Sollte das Pferd dann ausnahmsweise einmal nicht lahmen und rein von der Laune her nicht indisponiert sein, dann könnte man sogar ausreiten, was aber auch wieder Blödsinn ist, weil man bestimmt wieder ein Eisen verliert oder sich das Pferd vertritt und gleich wieder lahmt. Außerdem sind Ausritte ziemlich kostspielig, weil das Pferd jedes Auto und jeden Jogger tritt, was dann auch wieder Geld kostet.
Manchmal werden Pferde auch krank und da sitzt man dann tagelang am Boxenrand und liest ihnen aus Black Beauty vor, bis sie endlich wieder gesund sind und schlechte Laune haben. Außerdem sterben Pferde, ganz im Gegensatz zu den virtuellen Freunden in obskuren Internetforen wie "Pferdefreunde Irgendwas". Das ist dann auch wieder ziemlich blöd, weil man den leblosen Körper nicht wegklicken kann, sondern eine Spezialfirma beauftragen muss, für richtiges Geld die Leiche zum nächsten McD zu schaffen.
Spätestens ab diesem Zeitpunkt sollte man von wässrigen Kinderaugen angesehen werden, denen endlich klar geworden ist, wie knapp sie einem furchtbaren Schicksal entronnen sind und wie wundervoll doch ein Leben mit Smartphone vor dem Fernseher ist. Hinterher gibt einem der Vater noch ein Bier aus, weil man eine fellbesetzte Katastrophe verhindert hat und fährt danach zu seinem Pferd zurück, das natürlich wieder schlechte Laune hat.